Eine Frage der Haftung
Mit Beginn der kalten Jahreszeit stellen sich auch aus rechtlicher Sicht besondere Haftungsfragen.
Sobald Schnee und Eis Einzug halten, stellen sich nicht nur aus physikalischer, sondern auch aus rechtlicher Sicht besondere Haftungsfragen – vor allem im Schadensfall. Dies zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Abgang von Dachlawinen oder bei Unfällen aufgrund von Schnee- und Eisglätte. Unklar ist vielen auch, unter welchen Voraussetzungen das Langlaufen auf fremden Grundstücken erlaubt ist.
Haftung für Dachlawinen
Kommt es durch eine Dachlawine zu Personen- oder Sachschäden, stellt sich die Frage, ob der Geschädigte dies – quasi als „höhere Gewalt“ im wahrsten Sinne des Wortes – hinnehmen muss oder ob er von jemandem Schadenersatz verlangen kann. Grundsätzlich hat der Hauseigentümer dafür zu sorgen, dass niemand durch Dachlawinen oder herabfallendes Eis zu Schaden kommt. Die Rechtsprechung der Gerichte orientiert sich an den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten und der Straßenverkehrsordnung. Im Ergebnis kommt es darauf an, ob unter Berücksichtigung aller Umstände wie Witterung, Dachkonstruktion, Lage des Gebäudes etc. die zumutbaren Maßnahmen getroffen wurden.
Das Aufstellen von Warnstangen und Schildern ist grundsätzlich sinnvoll, um die Verkehrsteilnehmer auf die Gefahr von Dachlawinen aufmerksam zu machen. Es ist aber kein Freibrief und befreit nicht automatisch von der Haftung. Aus Sicht des Hauseigentümers ist vor allem das dauerhafte Aufstellen von Warnstangen riskant, wenn die Entfernung der Dachlawine möglich und zumutbar ist. Eine technisch und auch rechtlich sinnvolle Sicherungsmaßnahme wäre z.B. das Anbringen von Schneefanggittern auf dem Dach. Umgekehrt muss der Geschädigte mit einer Kürzung seines Schadenersatzanspruches wegen Mitverschuldens rechnen, wenn er sein Fahrzeug wider besseres Wissen oder trotz deutlich sichtbarer Warnstangen oder Schilder im Gefahrenbereich abstellt.
Besteht eine Haftpflichtversicherung, kommt diese in den meisten Fällen für den Schaden auf.
Schneeräumen: Wer haftet?
Für die Schneeräumung und Streuung bei Schnee- und Eisglätte ist prinzipiell der sogenannte Wegehalter zuständig. Bei öffentlichen Straßen ist das der jeweilige Straßenerhalter, also Bund, Land oder Gemeinde. Als Wegehalter haften sie gemäß § 1319a ABGB für Schäden, die durch den mangelhaften Zustand der Straße (z.B. durch unterlassene Schneeräumung) verursacht werden. Allerdings nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, nicht bei leichter Fahrlässigkeit. Auch für Anrainer besteht eine gesetzliche Räum- und Streupflicht (Details siehe „Anrainerpflichten“).
Räum- und Streupflicht
Die Grenzen zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit sind fließend und immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Der Oberste Gerichtshof definiert grobe Fahrlässigkeit als „auffallende Sorglosigkeit, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falles in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist“.
Die Räum- und Streupflicht muss sich im Rahmen des für den Wegehalter Zumutbaren bewegen. Es liegt auf der Hand, dass z.B. bei extrem starkem Schneefall oder Eisregen nicht alle Straßen sofort und gleichzeitig geräumt oder gestreut werden können.
Auch auf privaten Wegen und Straßen haftet der Wegehalter, das ist in der Regel derjenige, der für die Herstellung und Erhaltung verantwortlich ist. Die Haftung nach § 1319a ABGB setzt allerdings eine zulässige und damit erlaubte Benützung voraus. Musste der Benützer aufgrund von Verbotszeichen oder sonstigen Absperrungen erkennen, dass die Benützung unzulässig ist, besteht keine Haftung für einen mangelhaften, nicht geräumten oder gestreuten Weg.
Eine besondere Rechtslage gilt für mautpflichtige Straßen, zu denen auch die vignettenpflichtigen Autobahnen zählen. Hier hat der Straßenerhalter mit dem Straßenbenützer einen entgeltlichen Vertrag abgeschlossen, muss bei der Erfüllung seiner Schutz- und Sorgfaltspflichten für jedes Verschulden einstehen und haftet daher bereits ab leichter Fahrlässigkeit.
Anrainerpflichten
Eine gesetzliche Verpflichtung zur Schneeräumung und Streuung besteht für Anrainer (§ 93 Abs. 1 StVO):
„Die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten, ausgenommen die Eigentümer von unverbauten, land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften, haben dafür zu sorgen, dass die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als drei Meter vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind. Ist ein Gehsteig (Gehweg) nicht vorhanden, so ist der Straßenrand in der Breite von einem Meter zu säubern und zu bestreuen.“
Rechtliche Aspekte beim Langlaufen
Im Zusammenhang mit der Ausübung des Langlaufsports auf Privatgrund ist eine Reihe von rechtlichen Aspekten zu beachten. Zunächst ist zu unterscheiden, wo Langlaufen ausgeübt wird – auf landwirtschaftlich genutzten Flächen (Wiesen, Äcker etc.) oder im Wald.
Der Wald ist nach dem gesetzlichen Grundsatz der Öffnung des Waldes für Erholungszwecke der Allgemeinheit zugänglich. Das gilt auch für das Langlaufen, wobei § 33 Forstgesetz besagt: „Schilanglaufen ohne Loipen ist unter Anwendung der nötigen Vorsicht gestattet; eine darüber hinausgehende Benützung des Waldes, wie das Anlegen und die Benützung von Loipen, ist jedoch nur mit Zustimmung des Waldeigentümers gestattet.“ Ausgenommen vom gesetzlichen Betretungsrecht sind Wieder- und Neubewaldungsflächen mit einem Bewuchs unter drei Meter Höhe.
Auf Grundflächen außerhalb des Waldes besteht dagegen keine Pflicht des Grundeigentümers, die Benützung seines Grundes durch fremde Personen zu dulden. Dies gilt auch für die Ausübung von Sportarten wie Langlaufen, und zwar unabhängig davon, ob eine Loipe angelegt wurde oder der Langläufer selbst seine Spuren auf unberührten Schneeflächen zieht. Vielmehr ist hier immer die Zustimmung des Grundeigentümers erforderlich, sofern kein besonderer Rechtstitel vorliegt, der die Ausübung erlaubt. Ein solcher Titel könnte z.B. eine (ersessene) Dienstbarkeit oder eine vertragliche Vereinbarung sein. Für die Ersitzung einer entsprechenden Dienstbarkeit müsste die gutgläubige Ausübung des Rechts über mindestens 30 Jahre nachgewiesen werden.
Häufig bestehen vertragliche Regelungen mit einer Gemeinde oder einer touristischen Einrichtung. In einem solchen Vertrag können die wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit der Anlage und dem Betrieb von Loipen, wie z.B. die Haftung des Loipenbetreibers usw., für alle Seiten zufriedenstellend geregelt werden.
Loipen unterliegen der zivilrechtlichen Wegehalterhaftung. Ohne vertragliche Regelung kann auch der Grundeigentümer als Wegehalter angesehen werden und für den Zustand und die gefahrlose Benützbarkeit der Loipe haften, was bei Unfällen schwerwiegende zivil- und strafrechtliche Folgen haben kann.
Unabhängig von der Frage eines Benützungsentgeltes ist den betroffenen Grundeigentümern daher aus Gründen der Rechtssicherheit zu raten, die Anlage und den Betrieb von Loipen nur nach Abschluss eines schriftlichen Vertrages zu dulden, in dem die wesentlichen Punkte geregelt sind.
Auch für andere Trendsport- und Freizeitgeräte wie Motorschlitten, Quads etc. gilt ganz klar: Ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage wie etwa einen Vertrag dürfen private Grundstücke und Wege nur mit Zustimmung des Grundeigentümers oder sonst Verfügungsberechtigten befahren werden.
Text: Mag. Wolfgang Raab, Rechtsexperte