Freizeitnutzung und Landwirtschaft – eine sensible Koexistenz
In einer Zeit, in der die Beliebtheit von Outdoor-Aktivitäten wie etwa Mountainbiken und Wandern stetig zunimmt, wird es immer wichtiger, eine Balance zwischen den Interessen von Freizeitnutzerinnen und Freizeitnutzern und Landwirtinnen und Landwirten zu finden. Die steigende Anzahl von Menschen, die ihre Freizeit in ländlichen Gebieten verbringen wollen, führt unweigerlich zu Interessenkonflikten. Besonders seit dem Beginn der Coronapandemie kann das vermehrt beobachtet werden. Es braucht daher sowohl den gegenseitigen Respekt als auch die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
Bäuerinnen und Bauern bewirtschaften ihre Wiesen, Felder und Wälder nach hohen ökologischen Standards und im Sinne der Kreislaufwirtschaft. 84 Prozent aller bäuerlichen Familienbetriebe in Oberösterreich – die einen Mehrfachantrag stellen – nehmen am Österreichischen Umwelt-Programm (ÖPUL) teil.
„Die zunehmende Freizeitnutzung führt jedoch oftmals zu unbeabsichtigten Störungen, die sowohl die Tierwelt, wie auch weidende Nutztiere und landwirtschaftliche Aktivitäten beeinträchtigen. Daher ist es entscheidend, auf die rechtlichen Gegebenheiten hinzuweisen und Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportlern deren Pflichten zu verdeutlichen. Nur so kann es gelingen, das gegenseitige Verständnis zu fördern“, erklärt OÖ Bauernbund-Landesobfrau LRin Michaela Langer-Weninger.
Landwirt und Bauernbund-Obmann von St. Magdalena/Linz Manfred Pargfrieder führt gemeinsam mit seiner Frau Astrid einen Rindermastbetrieb. Ein weiteres betriebliches Standbein ist die Forstwirtschaft. Er ist, wie viele seiner Nachbarn ein betroffener des Ansturms an Freizeitnutzern.
„Mein Betrieb befindet sich auf Linzer Stadtgebiet. Aber nicht nur wir, sondern auch meine Nachbarinnen und Nachbarn haben mit Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportlern zu tun, die sich nicht an die Regeln halten und glauben, dass ihnen alles gehört. Sie fahren unerlaubt im Wald und auf der Wiese. Und auch Wanderer gehen immer wieder querfeldein über Wiesen und Felder. Außerdem versperren mir immer wieder parkende Autos die Zufahrt zu meinen Grundstücken. Dadurch werde ich an meiner Arbeit gehindert. Viele können nicht zwischen Mein und Dein unterscheiden. Ihnen würde es ja auch sicherlich nicht recht sein, wenn ich einfach so durch ihren Garten gehen würde“, zeigt sich Pargfrieder verwundert und ergänzt: „Wichtig ist, dass man mit den Leuten redet und sie auf ihr Fehlverhalten hinweist. Das gelingt in den meisten Fällen gut – manchmal erntet man aber auch Unverständnis und Spott.“
„Viele Leute denken bei ihrem Verhalten zu wenig nach, da sie kaum bis keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft haben. Das Wissen um die heimische Landwirtschaft ist über jede Generation hinweg weniger geworden. Nicht nur Stadtrandbauern wie Manfred Pargfrieder sind mit diesen Themen konfrontiert, sondern vor allem auch bäuerliche Familienbetriebe in Tourismusregionen. Mittlerweile ist aber das gesamte Bundesland betroffen“, so OÖ Bauernbund-Direktor Ing. Wolfgang Wallner.
Aufklärungsarbeit – OÖ Bauernbund
Viele Apps für Mountainbiker und Wanderer bieten die Möglichkeiten befahrene oder begangene Routen hochzuladen, und so für die nachfolgenden Benutzer sichtbar zu machen. Diese können dann nicht mehr unterscheiden, ob es sich um einen offiziellen Mountainbike- oder Wanderweg handelt. Der OÖ Bauernbund nimmt sich seit vielen Jahren dieses Themas an. Mit der Informationstafel „Bitte nicht betreten oder befahren“, die im Bauernbund-Shop auf der Website erhältlich ist, will der OÖ Bauernbund auf diese Gegebenheiten aufmerksam machen.
„Vielen ist nicht bekannt, dass die von Apps vorgeschlagenen Wege häufig nicht zur Benützung geeignet sind. Die Tafeln des OÖ Bauernbundes sollen den betroffenen bäuerlichen Familienbetrieben behilflich sein, und Mountainbiker sowie Wanderer entsprechend informieren“, so Wallner.
Baumhaftung – weitere Verbesserungen für Baumbesitzer und Waldeigentümer notwendig
Die Gesetze sind darauf ausgelegt, sowohl die Eigentumsrechte der Landwirte als auch die Zugangsrechte der Freizeitnutzer zu schützen. Der OÖ Bauernbund sieht jedoch einige Herausforderungen, denen sich Land- und Forstwirte angesichts der zunehmenden Freizeitnutzung ihrer Grundstücke stellen müssen. Ein besonders sensibles Thema dabei sind Haftungsfragen, die auftreten, wenn Erholungssuchende durch herabfallende Äste oder umstürzende Bäume Schaden erleiden – sei es durch Leichtsinn oder durch unvorhersehbare Naturereignisse.
Das seit 1. Mai geltende Haftungsrechts-Änderungsgesetz 2024 brachte eine wichtige Erleichterung: Die bisherige Beweislastumkehr wurde abgeschafft. Nun gilt der allgemeine Grundsatz des Schadenersatzrechts, wonach Geschädigte beweisen müssen, dass die oder der Baumhalterin bzw. Baumhalter fahrlässig gehandelt, also die erforderliche Sorgfalt vernachlässigt hat.
„Trotz dieser Verbesserung sieht der OÖ Bauernbund weiteren Handlungsbedarf. Wir plädieren für eine generelle Beschränkung der Baumhaftung auf grobe Fahrlässigkeit, auch außerhalb des Waldes. Aber auch im Wald bestehen immer noch rechtliche Grauzonen, die für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer ein unzumutbares Haftungsrisiko bergen“, weist Langer-Weninger hin.
Wolfgang Raab, Jurist im OÖ Bauernbund, nennt folgende Beispiele:
Radfahren im Wald, auch auf Forststraßen, ist verboten. Radfahrer und Mountainbiker, die gegen dieses Verbot verstoßen, handeln also auf eigene Gefahr. Dies aber nur unter der Voraussetzung, dass den Benützerinnen und Benützern die Unerlaubtheit durch die Art des Weges oder eine entsprechende Kennzeichnung erkennbar ist. Gerade im Wald ist aber für Laien nicht immer eindeutig erkennbar, ob sie sich auf einer öffentlichen Straße oder einer privaten Forststraße bewegen.
Der OGH hat dazu entschieden: „Es ist Aufgabe des Waldbesitzers, durch entsprechende Beschilderung Forststraßen von sonstigen öffentlichen Wegen eindeutig abzugrenzen“.
Das bedeutet, dass eine Kennzeichnung, etwa durch das bekannte Fahrverbotsschild mit dem Zusatz „Forststraße“ erforderlich ist, um sich gegen eine Haftung zu schützen – eine unbefriedigende Situation. Hier wäre eine gesetzliche Klarstellung nötig, dass sich Radfahrer im Wald abseits von öffentlichen Straßen und Wegen immer auf eigene Gefahr bewegen.
Eine rechtliche Grauzone sehen Rechtsexperten auch bei frequentierten Plätzen am Waldrand (Badewiesen, Spielplätze) oder bei Erholungsplätzen im Wald abseits von Wegen (Bänke, Marterl etc). Auch hier gilt: Wenn die Waldbesitzer schon das Eigentum für die Allgemeinheit zur Verfügung stellen sollen, dann dürfen sie keinem Haftungsrisiko ausgesetzt sein.
„Der OÖ Bauernbund betont, dass die bäuerlichen Grundeigentümer prinzipiell bereit sind, ihr Eigentum der Allgemeinheit zugänglich zu machen, es braucht jedoch klare und faire Bedingungen. Es ist wichtig, dass alle Waldbesucher die Regeln und Vorschriften respektieren, um sowohl ihre eigene Sicherheit als auch die Integrität des Privateigentums zu gewährleisten. Eine wesentliche Regel dabei ist, dass die Nutzung stets in Eigenverantwortung der Besucherinnen und Besucher erfolgen muss und die Eigentümer nicht das Risiko einer Haftung tragen können“, erklärt Langer-Weninger und fügt hinzu: „Eine Anpassung des Gesetzestextes würde dazu beitragen, die Waldbesitzer rechtlich abzusichern und gleichzeitig den Zugang für Erholungssuchende weiterhin zu ermöglichen.“
Kooperation und Dialog – Land OÖ-Initiative „In unserer Natur“ und Mountainbike-Strategie des Bundes
Offene Gespräche und der Austausch von Perspektiven können dazu beitragen, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen. Informationskampagnen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, indem sie das Bewusstsein und Verständnis für die Herausforderungen und Probleme, die mit der gemeinsamen Nutzung von ländlichen Räumen verbunden sind, erhöhen.
Die Initiative „In unserer Natur“ des Landes Oberösterreich ist ein landesweites Projekt, bei dem sich 13 Organisationen dazu bekennen, die Natur gemeinsam nachhaltig zu erhalten, ein harmonisches Miteinander erlebbar zu machen und die Interessen der Bäuerinnen und Bauern zu stärken. Bewusstseinsbildung und Maßnahmen zur Lenkung der Freizeitnutzer in Form von „Fairplay-Regeln“ soll das Miteinander von Einheimischen und Gästen verbessern und die Natur (Wald, Wild etc.) bestmöglich schützen. Die Initiative ist ein Förderprojekt zur Umsetzung EU/Land finanzierter Maßnahmen der Ländlichen Entwicklung im Rahmen des GAP-Strategieplans.
Die gemeinsamen Schwerpunkte der beteiligten Organisationen sind: die Finanzierung, Wegeerhaltung und konfliktfreie Nutzung von Wegen, die Zonierung von Wald-, Wild- und Naturschutzgebieten, die Besucher-Lenkung mit nachhaltigen Mobilitätslösungen (z.B. Wanderwege mit der Bahn, dem Bus erreichen) und die lokale Wertschöpfung.
Weitere Informationen sind im Internet zu finden: https://www.in-unserer-natur.at/
Anfang April 2024 wurde in der Ministerratssitzung der Beschluss gefasst, eine österreichische Mountainbike-Strategie zu erarbeiten. Vertragsmodelle zwischen Gemeinden, Tourismusorganisationen und Grundstückseigentümern sollen dabei helfen, Haftungsfragen klar zu regeln und einen respektvollen Umgang mit der Natur zu gewährleisten. Kurzum also das große Konfliktpotential durch Freizeitnutzer im Wald zu reduzieren. Damit das gelingen kann, soll jedes Bundesland eine eigene Strategie erarbeiten, welche im Landwirtschaftsministerium zusammenfließen.
„Die Mountainbike-Strategie des Bundes ist zu begrüßen. Wir in Oberösterreich sind da aber schon ein ganzes Stück weiter. Mit der Initiative „In unserer Natur“ hat Oberösterreich frühzeitig Lösungen erarbeitet. Wir haben Vorarbeit bei der Beschilderung, der Besucherlenkung, dem Ausbau des Wegenetzes in den Bundesforsten und ebenso bei der Bewusstseinsbildung durch Fair-Play-Regeln geleistet. Ich hoffe der Bund löst – im Rahmen der Mountainbike-Strategie – nun auch Fragen, die nur dort zu lösen sind. Die Haftung auf Forststraßen etwa ist abschließend zu klären“, betont Langer-Weninger.
OÖ Bauernbund-Direktor Ing. Wolfgang Wallner ergänzend dazu:
„Der Wald dient nicht nur als Erholungsraum, sondern ist auch ein wichtiger Wirtschafts- und Lebensraum. Die Notwendigkeit, Nutzungskonflikte durch gezielte Lenkung der Mountainbiker und Wanderer zu minimieren ist zur Konfliktvermeidung besonders wichtig. Bereits der bisherige Ausbau des Mountainbike-Netzes hat sich als effektiv erwiesen und wird auch weiterhin forciert“, so Wallner.
OÖ Tourismus
Die Wegehalterhaftpflichtversicherung der Oberösterreich Tourismus GmbH (OÖTG) bietet seit 1997 touristischen Organisationen die Möglichkeit ihre Wege im Zuge einer schriftlichen Meldung durch den Wegehalter in die bestehende (subsidiäre) Wegehalterhaftpflichtversicherung aufzunehmen. OÖTG trägt dafür die gesamte Versicherungsprämie sowie den anfallenden Verwaltungsaufwand. Die Gespräche mit den Grundeigentümern sowie der Abschluss von Gestattungsverträgen (die OÖTG stellt auf ihrer Website Musterverträge zur Verfügung) obliegen in der Regel der touristischen Organisation, oder der Gemeinde (haben meistens auch eigene Wegehalterhaftpflichtversicherungen).
Der Versicherungsschutz erstreckt sich von Wander-, Rad-, Reit- und Erlebniswegen, über Klettergärten, Langlaufloipen, bis hin zu zum Weg gehörenden Anlagen wie Pflanzungen, etc. Weiters ist davon nicht nur die Wegehalterhaftpflicht, sondern auch eine Nutzungshaftpflicht sowie Tierhalterhaftpflicht inkl. Rechtsschutz umfasst.
Die Anzahl der versicherten Kilometer bewegt sich im fünfstelligen Bereich.
„Fest steht jedenfalls. Die Lösung der Konflikte erfordert einen ständigen Dialog zwischen allen Beteiligten. Die geplante Mountainbike-Strategie, die Initiative des Landes OÖ „In unserer Natur“ und die verstärkte Nutzung von Vertragsmodellen besonders seitens des OÖ Tourismus bieten eine vielversprechende Ausgangsbasis, um den verschiedenen Interessen gerecht zu werden und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen für zukünftige Generationen zu schützen“, erklärt Langer-Weninger abschließend.