Dachlawine: Wer haftet für Verletzungen?
Auch wenn im bisherigen Winter in weiten Teilen des Landes von Schnee noch nicht viel zu sehen war, ist davon auszugehen, dass sich das noch ändert. In diesem Fall stellen sich zwangsläufig entsprechende Haftungsfragen. Neben dem Klassiker „Sturz bei Eis und Schnee“ bzw. Verletzung der Streu- und Räumpflicht gibt es auch immer wieder das Thema Dachlawinen.
Aus rechtlicher Sicht ist entscheidend, ob der Hauseigentümer seiner Warn- und Sorgfaltspflicht ausreichend nachgekommen ist. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) konnte man bisher davon ausgehen, dass man nur dann von der Haftung befreit ist, wenn entsprechende Warnhinweise wie Warntafeln und/oder Schneestangen angebracht sind. In einer neueren Entscheidung (GZ 2 Ob 37/13z, 30. 07. 2013) hat der OGH die Grenzen der Zumutbarkeit für die Pflicht des Hauseigentümers im Vergleich zu bisher etwas gelockert bzw. relativiert:
Im vorliegenden Fall ging eine (kleine) Dachlawine ab. Dadurch wurde die Klägerin erschreckt, kam zu Sturz und verletzte sich dabei. Sie verlangte vom Hauseigentümer Schadenersatz (Schmerzengeld) mit der Begründung, dieser habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, weil keine Schneestangen angebracht waren. Tatsächlich hatte der OGH in einer anderen Entscheidung aus dem Jahr 1996 (2 Ob 2267/96p) nicht einmal die Anbringung einer Warntafel in DIN-A4-Größe an Stelle von Schneestangen als ausreichend angesehen, da diese zu wenig auffällig seien. Konsequenterweise machte die Klägerin in ihrer Revision ebenfalls geltend, dass nach der ständigen Judikatur des OGH der Hauseigentümer in Fällen wie diesen eben verpflichtet sei, sämtliche Vorkehrungen zu treffen, um derartige Schäden zu verhindern. Da dies unterblieben war, müsse der Hauseigentümer für ihren Schaden aufkommen.
Der OGH beurteilt diesen Fall aber deshalb anders, weil hier, anders als im früheren Fall, der Beklagte das Dach mit einem Schneefangsystem neuester Bauart versehen hatte. Die Verkehrssicherungspflicht finde ihre Grenze in der Zumutbarkeit, das Abgehen kleiner Schneemengen sei nicht vermeidbar. Darauf müsse auch nicht mit Warnstangen hingewiesen werden. Achtung: Wie immer richtet sich das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt nach den Umständen des Einzelfalls, sodass der Entscheidung im Regelfall keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
Text: Mag. Wolfgang Raab