Pflegegeld: Erhöhungsantrag gut überlegen
Ein Fall, wie er leider öfter vorkommt: Eine 80-jährige Frau bezieht Pflegegeld der Stufe 1. Da es insgesamt sieben Stufen gibt und der Betrag mit 150,20 Euro im Monat doch eher bescheiden ist, empfiehlt ein Arzt den Angehörigen, einen Erhöhungsantrag zu stellen. Dies, obwohl sich der Pflegebedarf augenscheinlich nicht verschlechtert hat, sondern eher das Gegenteil der Fall ist. Aber was sollte schon passieren? Im schlimmsten Fall würde der Antrag halt abgelehnt und es bleibt bei Stufe 1, meint man. Ein gravierender Irrtum, wie sich herausstellen sollte.
Die Sozialversicherung beauftragt einen Sachverständigen mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens. Dieser kommt nach eingehender Untersuchung zum Ergebnis, dass nicht nur keine Verschlechterung eingetreten ist, sondern im Gegenteil der Pflegebedarf sich sogar verringert hat. Das Pflegegeld war ursprünglich nach einem Oberschenkelhalsbruch zuerkannt worden. Die Folgen dieser Verletzung waren nun soweit abgeklungen, dass in Summe der monatliche Pflegebedarf unter 50 Stunden gefallen war. Es kommt, wie es kommen muss: Die Sozialversicherung entzieht per Bescheid das Pflegegeld zur Gänze.
Gegen den Bescheid bringt die Pflegegeldbezieherin Klage beim Sozialgericht ein. Im Verfahren wird vom Gericht das Gutachten eines beeideten Sachverständigen eingeholt. Auch dieser kommt zum Ergebnis, dass sich der Pflegebedarf im Vergleich zur ursprünglichen Zuerkennung spürbar verringert habe und die für ein Pflegegeld der Stufe 1 erforderliche Stundenzahl deutlich unterschritten werde. Daraufhin wird die Klage wegen Aussichtslosigkeit zurückgezogen. Ohne den Erhöhungsantrag würde vermutlich heute noch das Pflegegeld ausbezahlt.
Rechtlicher Hintergrund: Es kann Pflegegeld entzogen werden, wenn sich die Voraussetzungen im Vergleich zur ursprünglichen Zuerkennung so gebessert haben, dass der erforderliche Pflegebedarf nicht mehr gegeben ist. Dasselbe gilt sinngemäß für eine Herabsetzung. Für die meisten Pflegeverrichtungen sind im
Gesetz bzw. in einer Einstufungsverordnung verbindliche Zeitwerte festgelegt. Diese Werte gelten grundsätzlich unabhängig davon, wieviel Zeit tatsächlich für die Pflege aufgewendet werden muss. Die Einstufung erfolgt pauschal und nicht nach dem tatsächlichen Zeitaufwand.
Vor Stellung eines Erhöhungsantrages sollte man daher im eigenen Interesse kritisch prüfen, inwieweit die aktuelle Einstufung tatsächlich zu niedrig, korrekt oder möglicherweise sogar zu hoch ist.
Text: Mag. Wolfgang Raab