Wespenstich als Arbeitsunfall?

Veröffentlicht von Wolfgang Raab am

Ein Arbeiter wurde beim Zusammenstellen eines Gerüsts von einer Wespe gestochen. Er lief in die Werkstätte, brach dort aufgrund eines anaphylaktischen Schocks zusammen und verstarb. Dass er gegen Wespengift allergisch ist, hatte er nicht gewusst.

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) verweigerte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall, wogegen die Tochter des Verstorbenen Klage beim Arbeits- und Sozialgericht einbrachte. Das Erstgericht war der gleichen Meinung wie die AUVA und wies die Klage auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen (Waisenrente und Bestattungskosten) ab. Die Begründung: Bei einem Wespenstich handle es sich um keinen Unfall; der Tod des Vaters sei auf eine rein innere Ursache, nämlich seine Allergie auf Wespengift, zurückzuführen.

Das Oberlandesgericht Linz und der Oberste Gerichtshof (OGH) änderten diese Entscheidung und entschieden zugunsten der Klägerin. Rechtlich maßgeblich ist in solchen Fällen immer die Frage der Kausalität: Ist die gesundheitliche Folge entscheidend auf das Unfallereignis zurückzuführen oder nicht? Handelt es sich also um eine wesentliche Bedingung oder bloß um eine sogenannte Gelegenheitsursache? Dazu meint der OGH im vorliegenden Fall: Die Tätigkeit des Versicherten zur Zeit des Wespenstichs erfolgte im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, sodass er im Unfallzeitpunkt grundsätzlich unter Versicherungsschutz stand.

Der Annahme eines Arbeitsunfalls stehe nicht entgegen, dass ein Insektenstich jederzeit und an jedem Ort eintreten kann (Gefahr des täglichen Lebens wie z. B. Stolpern, Ausrutschen). Eine krankhafte Veranlagung schließe nur dann die Annahme eines Arbeitsunfalles aus, wenn sie so leicht ansprechbar ist, dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit die Schädigung ausgelöst hätte. Ein Wespenstich sei, so wie ein Hundebiss, aber kein alltägliches Ereignis.

Achtung: Anders als hier (gesetzliche Unfallversicherung) hat der OGH in einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 2006 im Zusammenhang mit einer privaten Unfallversicherung gegenteilig entschieden! Ein Wespenstich, der aufgrund einer bestehenden Allergie einen anaphylaktischen Schock auslöste, wurde damals nicht als Unfall im Sinne der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen anerkannt. Es zeigt sich somit: Der Unfallbegriff in der gesetzlichen und in der privaten Unfallversicherung muss sich nicht decken.

OGH vom 17.12.2013, 10 ObS 93/13v
OGH vom 26.04.2006, 7 Ob 21/06y

Text: Mag. Wolfgang Raab

Kategorien: Rechtsservice