Das neue Tierwohlpaket – Planungssicherheit für Oberösterreichs Schweinebauern
Mit dem Beschluss des neuen Tierwohlpaketes ist es gelungen die Tierhaltung in Österreich mit Hausverstand weiterzuentwickeln und auf die steigenden gesellschaftlichen Forderungen einzugehen. Unbestritten bleibt aber, dass die Umstellung die Bäuerinnen und Bauern vor allem im Schweinebereich massiv fordern wird.
Machbare Verbesserungen und neue Perspektiven
Zwei Jahre lang haben bäuerliche Interessensvertreter, agrarische Verbände und die Koalitionsparteien unter Einbeziehung der Öffentlichkeit intensiv verhandelt. Letzte Woche konnte im Nationalrat ein umfangreicher Prozess abgeschlossen werden: „Mit dem Tierwohlpaket ist uns ein Schulterschluss gelungen, der den steigenden gesellschaftlichen Anforderungen gerecht wird, den Schweinebauern mit praxistauglichen Rahmenbedingungen einen realistischen Zeithorizont gibt und gleichzeitig die Versorgungssicherheit mit Schweinefleisch aus Oberösterreich sicherstellt.“
Schweine bekommen in Zukunft mehr Platz und eigene Liegeflächen im Stall. Unstrukturierte Vollspaltenbuchten sind ab 2040, bei Um- und Neubau bereits ab 2023, verboten. Im Rahmen eines Forschungsprojektes werden in den kommenden Jahren praxistaugliche Alternativen zur strukturlosen Vollspaltenbucht für bestehende Ställe erarbeitet. Diese Ergebnisse bilden anschließend die gesetzliche Grundlage für den Mindeststandard ab 2040. „Wirtschaftliche Rahmenbedingung werden bei der Entwicklung dieses neuen Standards selbstverständlich berücksichtigt“, so Strasser. Für Schweinehalter, die ab 2023 Schweineställe neu- oder umbauen, gibt es einen Investitionsschutz von 23 Jahren. Das Paket ist kein Blindflug, sondern bringt Planungssicherheit, ist Strasser überzeugt: „Schweinehalter haben bei neuen Investitionen nun die Sicherheit, dass die gesetzlichen Bestimmungen auch morgen noch passen. Die nächste Generation an Hofübernehmern braucht diese Perspektive.“
Schweinebauern werden beim Umstieg begleitet: „Die GAP ab 2023 unterstützt Schweinebauern finanziell in der Weiterentwicklung zu mehr Tierwohl. Auch die öffentliche Hand geht mit gutem Beispiel voran und kauft künftig nur mehr ‚Mehr Tierwohl‘ Schweinefleisch. Parallel dazu sollen bis 2030 jährlich eine Million Schweine unter den Premium-Standards ‚AMA-Gütesiegel Tierwohl‘ sowie ‚Bio‘ vermarktet werden“, so Strasser. Damit steigt der Anteil an in Österreich erzeugtem Tierwohl-Schweinefleisch von rund 5% auf ca. 25%.
„Vor allem Schweinehalter sahen sich bis jetzt mit Akzeptanzproblemen konfrontiert. Deshalb gehen wir mit dem Tierwohl-Paket in Vorlage“, so Strasser. Tierwohl obliegt aber nicht alleine den Bäuerinnen und Bauern. „Wir sind bereit, den Wünschen der Gesellschaft nachzukommen.
Wer Tierwohl bestellt, muss es auch bezahlen. Das wahre Volksbegehren findet vorm Supermarktregal statt. Konsumenten und Handel sind aufgefordert, zu Lebensmitteln aus Österreich zu greifen“, sagt Strasser.
Gesellschaft fordert mehr Tierwohl
Es ist gelungen, die Tierhaltung in Österreich mit Hausverstand und Augenmaß weiterzuentwickeln und auf die steigenden gesellschaftlichen Anforderungen einzugehen. Österreich wurde bereits im Jahr 2020 im Tierwohl-Ranking der international arbeitenden Tierschutzorganisation ‚World Animal Protection’ unter 50 Ländern gemeinsam mit Schweden mit dem 1. Platz ausgezeichnet.
Das Bewusstsein für mehr Tierwohl hat sich in der Gesellschaft laufend verfestigt, das wird auch durch Umfragen bestätigt. „Die Bäuerinnen und Bauern haben in der Vergangenheit immer gezeigt, dass sie sich den neuen Anforderungen anpassen, aber mit der notwendigen Zeit zur Umstellung und der Aussicht auf Rentabilität, als finanziellem Erfolg“, so Bauernbund Landesobfrau LRin Michaela Langer-Weninger. Es ist natürlich eine Mammut-Aufgabe, die auf die Schweinbranche zukommt. Das Land OÖ wird gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern diesen Transformationsprozess begleiten, um die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleisten zu können. In der neuen GAP 2023 bis 2027 ist vorgesehen, dass wiederum eine zielgerichtete Investitionsförderung angeboten wird. Die Details werden derzeit noch beraten. Klar ist aber, dass Schweineställe mit einem erhöhten Tierwohlstandard auch mit einem höheren Fördersatz unterstützt werden.
Der Griff im Regal ist entscheidend
Es geht um Planungs- und Rechtssicherheit für die Betriebe. Die Investitionen sind ausgelegt für 20 bis 25 Jahre, den Bäuerinnen und Bauern muss somit auch diese Perspektive gegeben werden. Wichtig ist, dass die Gesellschaft diesen Wandel mitträgt und weiterhin zu heimischen Lebensmitteln greift. Dazu muss die Nachfrage nach Produkten mit höchstem Tierwohlstandard seitens der Konsumenten gegeben sein. Daher der Apell von Bauernbund Landesobfrau Langer-Weniger: „Wer Tierwohl fordert, muss auch die Milch oder das Fleisch aus dem Tierwohl-Stall ins Wagerl legen. Auch der Handel ist in der Pflicht. Er muss Wort halten und künftig ausschließlich Produkte, die nach höheren Standards produziert wurden, in die Regale stellen.“ In OÖ wurde bereits vor mehreren Jahren mit dem Kauf von regionalen Lebensmitteln in den öffentlichen Küchen gestartet und liegen bei den regionalen Produkten bei rund 67 % sowie bei Bio bei knapp 30%. Dieser Prozess wird nun auch auf die Krankenhäuser und die Sozialhilfeverbände ausgeweitet.
Die Zahlen zeigen es eindeutig, dass aktuell der Anteil der Premiumsegmente zurückgeht und die Konsumenten preisbewusster einkaufen. „Für mich ist das ein Alarmsignal, da hier die Bemühungen für mehr Tierwohl, regionaler Produktion sowie der Ernährungssouveränität in ihrer Gesamtheit auf dem Prüfstand stehen“, so Langer-Weninger. Um auch mehr Bewusstsein für Lebensmittel aus der heimischen Produktion nach höchsten Standards in der Gesellschaft zu schaffen, sind auch alle Vereine, Feuerwehren, Musikkapellen, etc. aufgerufen, auf heimische Produkte zurückzugreifen. Langer-Weninger ergänzt noch, „die Umsetzung von Tierwohl in der heimischen Produktion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, weil es ja auch von dieser (zu Recht) gefordert wurde.“
Schweinbauern sind gefordert
Die österreichischen Schweinebauern und -bäuerinnen sind 365 Tage im Jahr bemüht, mit großer Sorgfalt hochwertige Lebensmittel zu erzeugen. In der Tierhaltung wird auf den Familienbetrieben besonderer Wert auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere gelegt. Ein sorgsamer und verantwortungsvoller Umgang mit den Nutztieren ist Grundstein für eine nachhaltige Landwirtschaft. Insgesamt gibt es in Oberösterreich rund 5.100 Schweinebauern die knapp 1,1 Mio. Schweine halten. Die Bezirke Wels-Land, Kirchdorf und Grieskirchen zählen zu den produktionsstärksten Bezirken in Oberösterreich.
Die Schweinebranche bekennt sich zu Weiterentwicklungen und hat mit dem Masterplan Schwein im Rahmen des AMA Gütesiegel bereits im Vorjahr die Weichen gestellt. Die Vermarktung von Tierwohlprogrammen wird auch künftig eine große Herausforderung bleiben. Die Erzeugerorganisationen, VLV, Gut Streitdorf und Styriabid haben ihre Zusammenarbeit vertieft und mit der Gründung der Ö.Schweinebörse eGen neue Vermarktungsstrukturen geschaffen. Damit sollen faire Aufschläge garantiert, und möglichst vielen Schweinebetrieben ein Umstieg auf höhere Haltungsstandards ermöglicht werden.
Der Verband der österreichischen Schweinbauern (VÖS) arbeitet gemeinsam mit der Wissenschaft an zahlreichen Forschungsprojekten für die Verbesserung bestehender Systeme. Die Aufgabe weiterer Forschungsprojekte ist es, Perspektiven für die zukünftige Schweinehaltung zu schaffen und praxistaugliche Lösungen zu erarbeiten. So wird beispielsweise die Schaffung von Liegeflächen und einer Buchtenstruktur untersucht. In einer Projekterweiterung soll auch das Thema Langschwanz bearbeitet werden. Es sollen Konzepte entstehen, wie durch kleine Umbauten schnelle und sinnvolle Verbesserungen erreicht werden können ohne die Zufriedenheit des Landwirtes aus den Augen zu lassen.
Hohe Produktionsauflagen bedeuten weniger Betriebe
Die VÖS war dazu in der Verhandlungsphase zum Tierwohlpaket immer wieder in einer Expertenfunktion eingebunden. Walter Lederhilger, Obmann vom Verband der österreichischen Schweinebauern erläutert: „Auch wenn nicht alle Forderungen durchgesetzt werden konnten ist es dennoch gelungen, praxisfremde Vorschläge abzuwehren. Der vorliegende Kompromiss wird eine Herausforderung für die heimische Schweinewirtschaft, er ist allerdings umsetzbar.“ Nicht zuletzt soll dieses Paket die emotionale und oft sehr unsachlich geführte öffentliche Debatte beruhigen. „Wir Schweinebauern merken, dass die gesellschaftlichen Erwartungen in Richtung Tierwohl steigen. Unser Ziel muss es in Zukunft sein, die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln sicherzustellen und für die bäuerlichen Familienbetriebe ein sicheres Einkommen zu bewahren“, so Walter Lederhilger. Ergänzend fügt Lederhilger an, dass zu hohe Produktionsauflagen in Zukunft weniger Betriebe und den Einbruch der Inlandsproduktion bedeuten werden. Wenn nicht in Österreich produziert wird, müssen Lebensmittel importiert werden – meist aus Ländern, in denen die Standards geringer sind. Was passieren kann, wenn Produktionsauflagen für Betriebe nicht mehr schaffbar sind sieht man in Schweden. Schweden gilt als Musterland in der Schweinehaltung, allerdings sank aufgrund enormer Verschärfungen der Haltungsnormen die Selbstversorgung von 100% auf 68%. Nur noch große Industriebetriebe erzeugen Schweinefleisch, welche im Durchschnitt mehr als 3.100 Schweine halten. Zum Vergleich, der durchschnittliche Schweinemastbetrieb in Österreich hält nur 112 Schweine mit einer Mastdauer von ca. 4 Monaten. Nach 4 Monaten harter Arbeit bleiben dem Schweinemäster durchschnittlich 20 Euro Deckungsbeitrag pro Schwein zur Abdeckung von Arbeit und Investitionskosten übrig. „Deshalb sind alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette gefordert, die anfallenden Mehrkosten die durch mehr Tierwohl entstehen mitzugehen, damit unsere bäuerlichen Familienbetriebe auch in Zukunft noch sinnvoll wirtschaften können.“, bekräftigt Lederhilger.