Nadeln und Äste von Nachbarbäumen
In seiner Entscheidung vom 21. 5. 2014, 7Ob71/14p, hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) wieder einmal mit der Frage zu befassen, wie weit vom Nachbargrundstück ausgehende Immissionen zu tolerieren sind, und traf dabei einige interessante Aussagen.
Die Streitparteien sind Mitglieder eines Kleingartenvereins. Die Klägerin wohnt seit 1991 ganzjährig auf einer gepachteten Kleingartenparzelle. Der Beklagte ist Eigentümer der nur durch
einen Weg getrennten Nachbarparzelle. Auf dem Grundstück des Beklagten stehen vier 15 bis 20 Meter hohe Fichten, von denen Nadeln und Äste auf das Grundstück der Klägerin hinübergeweht
werden.
Die Klägerin verlangt, dass die von der Parzelle des Beklagten ausgehenden Einwirkungen auf ihre Kleingartenparzelle unterbleiben (Eindringen von Fichtennadeln, Fichtenzweigen und -ästen).
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die über 50 Jahre alten Fichten seien nicht von ihm gepflanzt worden. Es befänden sich mehr als hundert gleich hohe Bäume in der Kleingartenanlage.
Die ortsübliche Nutzung der Parzelle der Klägerin sei nicht beeinträchtigt. Ablagerungen von Nadeln und Zweigen
seien in einer Gartenanlage selbstverständlich.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht gab hingegen der Klage statt; nun entschied der OGH endgültig für den Beklagten: Herabfallendes Laub und Nadeln sind
nach § 364 Abs. 2 ABGB zu beurteilen, ein Untersagungsrecht besteht nur, wenn das gewöhnliche Ausmaß überschritten
und die ortsübliche Benutzung wesentlich beeinträchtigt ist. Maßgeblich ist das Empfinden eines Durchschnittsmenschen. Grundsätzlich müssen sich neu hinzukommende Nachbarn mit der
im Gebiet vorherrschenden Immission abfinden. Die Ortsüblichkeit ist nach den tatsächlichen Verhältnissen in der
Umgebung zu beurteilen.
Die Klage scheiterte schließlich auch daran, dass die Klägerin Unterpächterin ist, der Kleingartenverein als Generalpächter aber an den Beklagten die Parzelle mitsamt Fichten 1986 ohne Einschränkungen oder Auflagen verkaufte.
Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Parzelle seit den 1970er-Jahren kennt und daher ihre
Parzelle in Kenntnis des Ausmaßes der Beeinträchtigungen durch die Umgebung gepachtet hat. Auch deshalb muss sie diese grundsätzlich hinnehmen.
Text: Wolfgang Raab