Im Märzen der Bauer…
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Die Geruchsemissionen durch das Ausbringen von Gülle sorgen immer öfter für Unmut bei den Nachbarn. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen erklärt Bauernbund-Jurist Wolfgang Raab.
Mit dem Ende der kalten Jahreszeit und dem Beginn der neuen Vegetationsperiode nimmt auch die Arbeitsfrequenz in den landwirtschaftlichen Betrieben spürbar zu. Manchmal sind diese Arbeiten mit Begleiterscheinungen verbunden, die bei den Mitbürgern nicht gerade Begeisterungsstürme auslösen. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit einem speziellen Aspekt dieser Thematik, mit den Geruchsemissionen.
Thema Immissionen
Zu den Begriffen Emission und Immission siehe „Begriffserklärung“ nachstehend. Die wichtigsten zivilrechtlichen Bestimmungen betreffend nachbarliche Immissionen sind die § 364 Abs. 2 und § 364a ABGB (siehe „Paragraf im Detail“ nachstehend). Diese beiden Paragrafen sind voll von unbestimmten Begriffen, deren Auslegung nicht immer einfach und schon gar nicht eindeutig ist. Im Streitfall müssen die Gerichte entscheiden. Der Ausgang des Verfahrens ist kaum vorhersehbar, da der Wortlaut viel Interpretationsspielraum lässt und es wie immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.
§ 364 Absatz 2 ABGB gewährt einen Unterlassungsanspruch. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Frage der Ortsüblichkeit. Damit sich ein Grundeigentümer gegen Lärm, Geruch, Staub etc. zur Wehr setzen kann, müssen die Immissionen sowohl das ortsübliche Maß überschreiten als auch die ortsübliche Benutzung des eigenen Grundstücks beeinträchtigen.
Die im Gesetz verwendeten Begriffe „örtlich“ und „ortsüblich“ sind nicht im Sinne einer politischen Gemeinde zu verstehen. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Beeinträchtigung das „nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß“ überschreitet, ist nicht nur das beeinträchtigte Grundstück isoliert zu betrachten. Es sind vielmehr die Lage des Grundstücks im Verhältnis zu dem Grundstück, von dem die Beeinträchtigung ausgeht, sowie die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Grundstücke maßgeblich.
Nicht jede Beeinträchtigung ist rechtlich relevant. Es muss ein gewisser Grad an Intensität erreicht sein, damit sie als „wesentlich“ gilt. Dabei ist der Maßstab eines „objektiven Durchschnittsmenschen“ anzuwenden, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat.
Handelt es sich um eine „behördlich genehmigte Anlage“ im Sinne des § 364a ABGB, besteht kein Unterlassungsanspruch. An seine Stelle tritt ein sogenannter verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch (eine Art Schadenersatz) für die hinzunehmenden Immissionen.
Nach der Rechtsprechung fallen hierunter in erster Linie Gewerbebetriebe, für die eine Betriebsanlagengenehmigung oder eine vergleichbare Genehmigung vorliegt. Ein landwirtschaftlicher Betrieb erfüllt diese Voraussetzung in der Regel nicht. Eine baubehördliche Bewilligung reicht nicht aus, sodass in solchen Fällen nicht § 364a, sondern allenfalls ein Unterlassungsanspruch nach § 364 Absatz 2 zur Anwendung kommt. Diese Linie wurde im Jahr 2022 vom Obersten Gerichtshof bestätigt: „Auch nach der Novelle des Steiermärkischen Baugesetzes LGBl 2008/88 ist mangels umfassenden Immissionsschutzes nicht von einer „behördlich genehmigten Anlage“ iSd § 364a ABGB auszugehen“ (10 Ob 19/22z).
Geruchsbelästigung
„Im Märzen der Bauer die Gülle ausbringt. Für den Nachbarn die Sache zum Himmel stinkt“. So könnte man in Abwandlung eines alten Volksliedes einen klassischen Konflikt auf den Punkt bringen.
Trotz aller technischen Fortschritte bei Lagerung und Ausbringung wird es kaum gelingen, Hühnermist oder Schweinegülle nach Veilchen duften zu lassen. Dass es sich dabei nicht um Entsorgung handelt, sondern aus Sicht der Landwirtschaft um die Rückführung von hochwertigem Dünger in den Kreislauf, ist Menschen mit einer gewissen Distanz zur Landwirtschaft oft schwer zu erklären. Aber auch Menschen, die selbst von einem Bauernhof abstammen und seinerzeit den Bau ihres Eigenheims direkt neben dem elterlichen Hof durchgesetzt haben, zeichnen sich gelegentlich durch besondere Intoleranz aus, was etwas merkwürdig anmutet.
Doch wie sieht das eigentlich vom rechtlichen Standpunkt her aus? Grundsätzlich gilt das zum Thema Immissionen Gesagte. Das Ausbringen von Gülle gehört zu einem tierhaltenden Betrieb und ist daher in einem typisch ländlichen Gebiet in der Regel als ortsüblich hinzunehmen. Im Zweifelsfall müssen Sachverständigengutachten die Frage der Ortsüblichkeit klären.
Begriffserklärung:
Die beiden Begriffe „Emission“ und „Immission“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch gerne verwechselt. Kein Wunder, bedeuten sie doch im Grunde die zwei Seiten derselben Medaille. Sie kommen aus dem Lateinischen und bedeuten „Aussendung, Ausstrahlung“ (Emission) bzw. Einwirkung (Immission).
Die Emission des einen kann also zur Immission beim anderen werden. Beispiel: Ein Landwirt bringt Gülle aus und erzeugt dabei eine Geruchsemission. Der Nachbar nimmt diesen Geruch wahr. Dieser stellt für ihn eine Immission dar.
Paragrafen im Detail:
§ 364 Abs 2 ABGB: Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.
§ 364a: Wird jedoch die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage auf dem nachbarlichen Grund in einer dieses Maß überschreitenden Weise verursacht, so ist der Grundbesitzer nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich zu verlangen, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht wird, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde.
Bildquellen
- : Agrarfoto.com