Rechtsanwalt muss vor Kostenexplosion warnen

Veröffentlicht von Wolfgang Raab am

In einem ungewöhnlichen Fall hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit einer geschmalzenen Honorarforderung eines Rechtsanwalts auseinanderzusetzen: Die Beklagte, eine vermögenslose Studentin, war testamentarische Alleinerbin nach einer Erblasserin, die beim Tsunami im Indischen Ozean 2004 ums
Leben gekommen war. Die Verlassenschaft gestaltete sich kompliziert, die Studentin versuchte unter anderem, die Auszahlung von Lebensversicherungen zu erreichen, und beauftragte dazu eine Wiener Rechtsanwaltskanzlei.

Die Studentin wies darauf hin, dass sie kein hohes Honorar zahlen könne, worauf der Geschäftsführer der Rechtsanwalts GmbH meinte, mit 3.000 Euro „werde es sich ausgehen“. Daraufhin erteilte die Beklagte Auftrag und Vollmacht.

Aufgrund von Versäumnissen auf Seiten der Kanzlei vergrößerte sich der zunächst angenommene Umfang des Mandats wesentlich. Schließlich wurde die Studentin mit einer Honorarforderung von über 20.000 Euro konfrontiert und nach der Weigerung zur Bezahlung sogar eine Summe von 29.200 Euro eingeklagt.

Mit dieser Forderung kam der Anwalt vor Gericht nicht durch. Stark verkürzte Begründung des OGH: Das Anwalts-Mandanten-Verhältnis ist zwar kein Werkvertrag, trotzdem seien die Regeln zum Kostenvoranschlag nach § 1170a ABGB analog anwendbar. Der Auftragnehmer – der Anwalt – kann sich den Anspruch auf ein erhöhtes Honorar nur damit sichern, dass er den Auftraggeber zeitgerecht auf einen unvermeidlichen Mehraufwand hinweist. Unterlässt er dies, hat er den Anspruch auf sein zusätzliches Honorar verloren.

Auch wenn es sich um einen unverbindlichen Kostenvoranschlag bzw. einen sogenannten Schätzungsanschlag (auch: Kostenschätzung) handelt, muss man sich darauf verlassen können, dass es zu keiner ins Gewicht fallenden Erhöhung des Entgelts kommt, wenn sich die Leistungen in dem von vornherein
abgeschätzten Rahmen bewegen. Kommt es allerdings zu einer unerwarteten Vergrößerung seines Aufwands, kann sich der Unternehmer einen Anspruch auf höheres Entgelt dadurch sichern, dass er den Besteller auf den unvermeidlichen Mehraufwand hinweist und diesem die Möglichkeit gibt, die Fortsetzung der Tätigkeit – gegen zusätzliches Entgelt – anzuordnen oder aber unter angemessener Vergütung der bereits geleisteten Arbeit vom Vertrag zurückzutreten. Bei Auftragsverhältnissen wie dem vorliegenden gelten dieselben Kriterien. 1 Ob 219/09a

Text: Mag. Wolfgang Raab

Kategorien: Rechtsservice